Ein unglaubliches Abenteuer – Mit dem Rad von und zur EM
Für Karl Koller war es nicht das erste Mal, mit dem Rad zu einer Europameisterschaft aufzubrechen. Schon nach München war er 2022 auf dem Sattel unterwegs gewesen, diesmal sollte es eine Nummer größer werden. Von Tirol über Italien und Griechenland bis nach Istanbul. 2.850 Kilometer, 21.000 Höhenmeter und 22 Etappen später erreichte er sein Ziel. „Eigentlich war ich zu schnell“, erzählt er lachend. „Wir hatten ausgemacht, dass ich meine Tochter am 24. August treffe, da wäre ich schon früher da gewesen. Also habe ich noch eine Woche Urlaub in Chalkidiki eingelegt.“
Unterwegs schlief er meist im Zelt, manchmal auch in Hotels. „In der Türkei hat mein Schwiegersohn Hotels organisiert, das war wirklich top.“ Wildcampen? „Das habe ich mich nicht getraut. Schon in Italien haben mich Hunde verfolgt. Einmal sogar 300 Meter lang, und mit 30kg Gepäck hast du bergauf keine Chance.“
Die Natur, die Begegnungen und die neuen Städte machten für den Tiroler den Reiz aus. Doch es gab auch schwierige Tage: „In Griechenland hatte ich an einem Tag mindestens 20 Löcher im Schlauch. Am Schluss habe ich den Reifen mit Isolierband umwickelt und bin so noch 10km gefahren, bis ich endlich eine Werkstatt gefunden habe.“
Der emotionale Höhepunkt kam in Istanbul: „Als ich zur Hagia Sophia gefahren bin und meine Tochter mit meinen Enkeln dort auf mich gewartet haben, mit Plakat und Lorbeerkranz. Das war ein Traum.“ Diese Art der Anreise könnte sich Karl auch gut für kommende Meisterschaften vorstellen: „Ich bin 67 Jahre alt, da muss man von Jahr zu Jahr planen. Aber wenn die nächste Meisterschaft in der Nähe ist, fahre ich wieder mit dem Rad. Fliegen möchte ich eher vermeiden, ich habe in einer Kfz-Werkstatt gearbeitet und bin viel mit dem Auto gefahren, da ist mein CO2-Konto schon relativ voll.“
Die Idee zu dem gemeinsam geplanten Abenteuer entstand schon ein Jahr zuvor. „Ich habe gesagt: Ich fahre mit dem Rad nach Istanbul. Karl hat keine 20 Sekunden überlegt, und gemeint: Da bin ich dabei“, so Joachim Rathbauer. Doch Termine machten die Pläne kompliziert. Vor der EM wollte Joachim noch zwei XTERRA Triathlons in Tschechien und Deutschland bestreiten. Also flog er mit einem One-Way-Ticket nach Istanbul und beschloss, den Heimweg mit dem Rad anzutreten.
Am Dienstag, den 2. September, startete er auf der asiatischen Seite Istanbuls, wo auch das Wettkampfareal der ersten gemeinsamen Meisterschaft des europäischen und asiatischen Verbandes war. Nach einer kurzen Überfahrt mit dem Schiff über den Bosporus begann sein großes Abenteuer: In elf Tagen, mit zwei kleineren Nachtfahrten, radelte er in seinen Heimatort Neußerling (Mühlviertel, OÖ). 2.016 km, 15.000 Höhenmeter, ca. 90 Stunden im Sattel, 7 Länder – und all das auf einem 21kg schwerem Gravel Bike, mit dem er bereits die EM bestritten hatte.
„Es war mein erster Bikepacking-Trip“, erzählt der Oberösterreicher. „Die Kombination aus drei Zeltübernachtungen, einmal wild schlafen und sonst in Quartieren hat für mich gut gepasst. Tagsüber war die Verpflegung wenig romantisch - meistens am Supermarktparkplatz oder an der Tankstelle.“ Die Reise war körperlich und mental fordernd: Hitze, aggressive Hunde, dichter LKW-Verkehr und natürlich die Länge der Strecke machten sie zu einer echten Herausforderung. Doch Rathbauer blieb dran. Auf Strava dokumentierte er seine Tour für Freunde und Familie in elf kurzen Tagesberichten unter dem Titel „From Asia to Neußerling“.
Trotz aller Anstrengung überwiegt für ihn das Positive: „Ich wollte diese Erfahrung machen, und auch wenn es hart war, es war ein unglaubliches Abenteuer.“
Ob Karl nach Istanbul oder Joachim von dort zurück nach Österreich, beide haben gezeigt, dass Abenteuer dort beginnen, wo man in die Pedale tritt. Es geht nicht nur um Kilometer und Höhenmeter, sondern um Ausdauer und die Freude daran, mit dem Rad unterwegs zu sein.
08/10/25 14:06 zurück